visible


"ich nutze die zeit, um nicholas durch visible zu führen. ich hätte nie geglaubt, dass irgendetwas ihn sichtbar zu beeindrucken oder zu überraschen vermag. aber jetzt folgt er mir wie ein kleiner junge, der zum ersten mal in seinem leben einen rummelplatz besucht. anders als kat, die seinerzeit mit der selbstverständlichen arroganz eines eroberers und ohne nach links oder nach rechts zu sehen durch die mauern gefegt war, nähert nicholas sich visible beinahe ehrfürchtig. er besteht darauf, dass ich ihm jedes detail zeige. ich führe ihn überall herum, lasse ihn jeden einzelnen raum betreten, vom keller bis zum dachboden, mit ausnahme meines eigenen zimmers und der zimmer von dianne und glass. während ich ihm dies und jenes zum haus und seiner geschichte erzähle, berührt nicholas die wände, die holzbalken und die abgegriffenen treppengeländer studiert aufmerksam die überall angebrachten fotos von stella, lauscht dem knarren der ausgetretenen dielen unter unseren füßen. es gefällt mir, dass er sich so vorsichtig bewegt, als wäre visible ein schlafendes wesen, das man nicht wecken darf. in der bibliothek bleibt er lange stehen, mustert die hohen regale und deren inhalt, diannes herbarien, die wenigen bücher, die stella, und die vielen, die terezas vater interlassen hat. am längsten ruht sein blick auf dem zerschlissenen rot gepolstetren sessel, meinem thron der geschichten. über die marode freitreppe hinter der bibliothek betreten wir den garten, wo hüfthohes, trockengelbes gras sich unter dem kühlen herbstwind beugt und wogt wie seetang und die statuen aus sandstein in unerschütterlicher ruhe wache stehen. wir sehen am haus empor, an den breiten sprüngen und rissen, den aufdringlichen flecken im putz, die der noch immer grüne, wuchernde efeu kaum zu bedecken..

"also, was glaubst du?" , sage ich. "wann werden die mauern über uns zusammenbrechen?" - "gar nicht", erwidert nicholas leise. "solche häuser sind für die ewigkeit gebaut. es ist wunderschön, phil!"

die mitte der welt ~

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